Freiwilliges Jahr in Deutschland erweitert den Horizont

Sie kommen aus aller Welt, um in Deutschland als Freiwillige zu arbeiten. Wir haben eine Griechin und zwei Ungarn gefragt, wie sie sich in Deutschland eingelebt haben.
Foto: Klaus Martin Höfer
Freiwilligendienste schlagen Brücken: Freiwillige aus dem Ausland engagieren sich in Deutschland.

David hat die Handgriffe schon beinahe raus. Erst löst er das Gitter am Bett, lässt es nach untern rattern. Dann fasst er Daniel an beiden Händen, zieht ihn hoch. "Jetzt beugst du dich nach vorne, dann kannst du ihn in den Rollstuhl rübersetzen", erklärt Lars Rohde, der Wohngruppenleiter.

David arbeitet im "Haus Regenbogen", einer Einrichtung der Diakonie in Oldenburg. Etwa 50 junge Menschen mit Behinderungen wohnen dort in Wohngruppen. David wird zu Beginn seines Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) zunächst einmal in Gruppe 1 eingesetzt, Lars Rohde ist sein Chef. Und der erklärt ihm einige Tricks im Umgang mit Menschen mit Behinderung.

Mit FSJ und Sprachkurs Deutsch lernen

David ist 18 Jahre alt, kommt aus Ungarn, aus der Stadt Kecskemét. Auf dem Gymnasium hat er acht Jahre lang Deutsch gelernt. Die Sprache sei seine größte Herausforderung, sagt er. Wenn er redet, kommen die Worte noch langsam aus seinem Mund – er ist sichtlich bemüht, Aussprache und Satzbau ordentlich hinzubekommen. Und meistens schafft er das auch.

Im Sommer, wenn er sein FSJ beendet hat, wird es viel besser sein. "Die ausländischen Freiwilligen lernen das schnell", weiß Lars Rohde. Weil sie sich im Alltag verständigen müssen, mit den Bewohnern, mit ihren Kollegen. Und sie besuchen einen Sprachkurs bei der Volkshochschule. Dort sind nicht nur andere Freiwillige, sondern auch Studenten und Berufstätige aus verschiedenen Ländern - "intercultural", sagt Aspasia. Die 26-Jährige ist Griechin und arbeitet in derselben Einrichtung wie David.

EDYN-Partner helfen beim Bewerben

Aspasia kommt aus Thessaloniki und hat ihr Studium als Sozialarbeiterin abgeschlossen. Mit einer fertigen Berufsausbildung ist sie eine Ausnahme bei den Freiwilligen. Zuhause fand sie keinen Job. Es gebe zwar viel zu tun, aber der Staat habe kein Geld für entsprechende Programme, erzählt sie. Zudem habe sie schon länger über einen Freiwilligendienst im Ausland nachgedacht - und nun passe er zeitlich gut bei ihr rein. Sie willl weitere Berufserfahrungen sammeln. Deshalb hat sie gezielt eine Einsatzstelle gesucht, wo sie mit körperlich und geistig behinderten Menschen arbeiten kann.

_David mit Lexikon
"Ich habe vorher in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet und bin nun gespannt, wie die Arbeit mit den Bewohnern hier ist, welche Bedürfnisse sie haben." Genauso wie David hilft Aspasia den Bewohnern beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Waschen und Essen oder auch bei Ausflügen.

Auf die Idee, einen Freiwilligendienst in Deutschland zu machen, brachte sie ein Hinweis auf der Website der Evangelischen Kirche Deutscher Sprache in Athen. Die Gemeinde ist in Griechenland Kooperationspartner der Evangelischen Freiwilligendienste gGmbH. Die Bundesgeschäftsstelle für Freiwilligendienste in evangelischer Trägerschaft vermittelt Freiwillige aus dem Ausland zu den regionalen Trägern – in diesem Fall zum Diakonischen Werk Oldenburg.

Die meisten Partnerorganisationen der Evangelischen Freiwilligendienste im Ausland sind Mitglied des EDYN-Netzwerkes. EDYN, das ist der Zusammenschluss von ökumenischen Freiwilligenorganisationen aus etwa einem Dutzend Ländern, listet Einsatzangebote für "volunteers" auf. Wer an einem Freiwilligenprogramm interessiert ist, bewirbt sich in seinem Heimatland bei der Partnerorganisation und nennt dort die gewünschten Länder und Bereiche, in denen jemand gerne eingesetzt werden würde. Zum Beispiel: Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen.

Gründe für das Engagement in Deutschland

"Ich habe auch die Arbeit mit älteren Menschen dort angegeben", sagt David. Deutschland gab er als erstes Wunschland an, eine Stadt oder Region nannte er nicht. Die EDYN-Organisationen im Heimatland und in Deutschland gleichen die Listen ab und schauen, wo die neuen Freiwilligen am besten hineinpassen. Endgültig entschieden wird erst nach einem persönlichen Gespräch. Die Bewerber treffen sich mit Vertretern der Entsendeorganisation ihres Heimatlands und der Aufnahmeorganisation des Gastlands. 

Um David und die anderen Kandidaten kennenzulernen, kamen zum Beispiel die Organisatoren aus Deutschland nach Ungarn. Sie informierten über den möglichen Einsatz in Deutschland. Umgekehrt mussten David und die anderen Bewerber noch einmal erläutern, warum sie den Freiwilligendienst machen wollen, welche Erwartungen sie haben, welche Fertigkeiten sie mitbringen im Umgang mit anderen Menschen. Dabei fallen einige Bewerber raus.

Aus Neugier und Interesse ins Ausland gehen

Wer etwa meint, er müsse ins Ausland, um möglichem Stress mit den Eltern aus dem Weg zu gehen oder weil es Ärger am Arbeitsplatz oder an der Uni gibt, wird wahrscheinlich nicht genommen. Besser ist es, mit Neugier und Interesse ins Ausland zu gehen und nicht aus Frust über die Situation in der Heimat.

Die Auswahl der Freiwilligen richtet sich dabei aber nicht nach deren Vorbildung: Aspasia macht nach ihrem Studium einen Freiwilligendienst, David davor. Und ein weiterer Ungar, der in der Nähe von Oldenburg gelandet ist, liegt dazwischen: Áron hat gerade sein Bachelor-Studium abgeschlossen und will noch ein Master-Studium drauf setzen. Dazwischen sollte ein Jahr im Ausland kommen. Er will Lehrer werden, unter anderem auch für Deutsch. Er hat sich, wie David und Aspasia, bereits im Winter für den Freiwilligendienst beworben. Ein paar Wochen später waren die Auswahlgespräche, dann kam die Zusage.

Seminare zusammen mit deutschen Freiwilligen

Gibt es übrigens in einem Land keine Partnerorganisation von EDYN, vermitteln die Evangelischen Freiwilligendienste den Kontakt zu einem Träger in Deutschland. Sind die Bewerber akzeptiert, gibt es meist ein Vorbereitungsseminar im Heimatland und ein Einführungsseminar in Deutschland. Während des FSJ sind die Freiwilligen dann in Seminargruppen zusammen mit deutschen Freiwilligen integriert und nehmen an 25 Seminartagen teil.

Manchmal machen die Freiwilligen auch schon einen Sprachkurs zu Hause oder ein Praktikum in einer ähnlichen Einrichtung, in der sie in Deutschland tätig sein wollen. Bei Aspasia, der gelernten Sozialarbeiterin, war das natürlich nicht nötig. Und auch Áron hatte wenig Zeit, sich für seinen Freiwilligen-Job in Oldenburg vorzubereiten. Kurz vor der Abreise nach Deutschland hatte er noch Stress mit den Uni-Prüfungen. Den Bachelor-Abschluss hat er jetzt frisch in der Tasche, den Autoführerschein hatte er vorher schon. Und den braucht er jetzt auch in seiner Einsatzstelle, erklärt er.

Freiwilligenjahr ist ein Fortbildungsjahr

Aron
"Ich fahre mit einem kleinen Bus die Bewohner zu Veranstaltungen und hole sie auch ab." Das ist ganz schön viel Vertrauen, das ihm da entgegen gebracht wird, zumal er zum ersten Mal im Oldenburger Land ist und sich so gut wie gar nicht auskennt. "Zum Glück hat der Bus ein Navi, und die Jugendlichen helfen mir, in dem sie rechts oder links rufen, wenn ich nicht weiter weiß." Áron sieht die Sache locker, und sein gutes Deutsch hilft ihm dabei.

Gespannt sind die Freiwilligen auf den Winter in Deutschland. Schnee und niedrige Temperaturen sind einige von ihnen von zuhause nicht gewohnt. "Ich bin sowieso kein Typ für den Sommer", sagt Aspasia. Das sei für Griechinnen sicher ungewöhnlich, aber deswegen hatte sie auch keine Bedenken, ins "kalte" Deutschland zu kommen. Sie ist erst einmal zufrieden: Das Freiwilligenjahr sieht sie als eine Art Fortbildung an. Dass sie dabei mit einem Taschengeld auskommen müsse, sei in Ordnung: Die Unterkunft werde gestellt, und für den täglichen Bedarf reiche es.

David ist das erste Mal weg von Zuhause

Auch David ist angetan von seinem Job: Mit den Bewohnern komme er gut aus, die Kollegen seien sehr nett.  Was er nach dem FSJ macht, weiß er noch nicht. Was er jetzt will, dafür schon: Deutschland und die Deutschen kennen lernen. Und das eigenständige Leben. Denn David ist zum ersten Mal weg von zu Hause. Das ist spannend.  Er hat sein Zimmer, eine kleine Küche und das Badezimmer für sich alleine.

Mit dem dicken Wörterbuch, das er von zuhause mitgebracht hat, und den wöchentlichen Sprachkursen, wird er sich schon bald richtig gut unterhalten können. Gerade hat er ein neues Wort gelernt, eine kleine Zungenbrecher-Übung: "Be-dau-er-lich-er-wei-se", sagt er langsam.  "Das bedeutet: 'leider", sagt er. Eigentlich ist das in ziemlich überflüssiges Wort - zumindest, wenn es um sein Leben als FSJler geht. Denn David macht nicht den Eindruck, dass er die Entscheidung für den Freiwilligendienst in Deutschland bedauert – ganz im Gegenteil. Er freut sich auf ein spannendes Jahr in Oldenburg.

 


Freiwilligendienst in Deutschland: Tipps für Interessierte im Ausland

  • Prüfe, ob es in deinem Heimatland eine Organisation gibt, die Mitglied des Ecumenical Diaconal Year Network (EDYN) ist. Die Partnerorganisation berät und unterstützt dich beim Bewerben für einen Freiwilligendienst in Deutschland. Auf der Website von EDYN gibt es eine Übersicht der Mitglieder des Netzwerks.
  • Wenn es in deinem Heimatland keinen EDYN-Partner gibt, kannst du dich auch direkt in Deutschland bewerben.  Wichtig: Bewerbe dich frühzeitig - am besten schon neun Monate vor dem geplanten Dienstbeginn in Deutschland. Alle nötigen Infos findest auf der Website der Evangelischen Freiwilligendienste gGmbH.
  • Du willst für einen Freiwilligendienst nach Deutschland? Wie haben eine Checkliste mit fünf Tipps zusammengestellt.

Text: Klaus Martin Höfer

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Die wichtigsten Infos für alle, die sich vom Ausland aus für einen Freiwilligendienst in Deutschland bewerben wollen.

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